1926 - 1971 [ 1989 ]
Vortrag, Kolloquium am 18./ 19. Nov. 2000 anlässlich der
75 jährigen Wiederkehr der Fusion zu Zeiss Ikon AG 1926,
Technische Sammlungen der Stadt Dresden
Dr. Gerd Jehmlich, Dresden
Zeiss Ikon AG 1926 - 1971 [ 1989 ]
1. Übersicht
46 Jahre war die Zeiss Ikon AG und zeitweilig auch - wie zu zeigen ist - der VEB Zeiss Ikon ein bedeutender Hort der kamera- und kinotechnischen Entwicklung und Produktion in Deutschland. In seinen starken Jahren entwickelte sich das Unternehmen zu einer Institution, in der das Elitäre betont wurde, woraus aber auch ein gewisses Unfehlbarkeitsdenken entsprang mit dem schliesslich auch die Fähigkeit verlorenging, marktgerecht zu entwickeln.
Zeiss Ikon AG Dresden 1926 - 1939
Es ist die klassische Zeit der AG mit den Rationalisierungen und bedeutenden Entwicklungen auf dem Kamerasektor und dem Fachkinosektor. In diese Zeit fällt die Entstehung des wissenschaftlichen Gerätebaues, aber auch der Beginn der Rüstungsproduktion.
Zeiss Ikon AG Dresden 1939
- 1945
Die Rüstungsproduktion steigt in weniger als 5 Jahren von 15 % auf nahe 100 %. Die Gewinne mit Rüstungsgütern sind aufgrund der Kalkulationsmethoden hoch. Die Verstrickungen in die großdeutsche Ära sind beträchtlich, worunter auch der Fremdarbeitereinsatz zählt. Die Teilzerstörung der Werke in Dresden im Febr. 1945 und in Berlin sind die erste Zäsur des Unternehmens.
Zeiss
Ikon Dresden AG, VEB 1945 - 1948
Es schliesst sich die Zeit des Aufbruches, aber auch der Restauration und schließlich der Reparationen an. Es ist die zweite Zäsur der alten Zeiss Ikon AG. Mühevoller Neuanfang und Versuch, mit den verbliebenen Resten der Dresdner Werk unter den gesellschaftlichen Bedingungen der Nachkriegszeit in Dresden den Namen Zeiss Ikon weiterzuführen.
VEB Zeiss Ikon Dresden 1948 - 1958
Aus dieser Zeit sind vor allem die besonderen Arbeiten auf dem Gebiet der Kinotechnik und des Zentralverschlussbaues zu nennen, die - mit Ausnahme der Spiegel-Contax - das technische Geschehen im VEB Zeiss Ikon weit mehr prägen als die Kameratechnik. Die Prozesse zwischen dem VEB in Dresden und der AG in Stuttgart nehmen teilweise groteske Züge an.
Zeiss Ikon AG Stuttgart 1948 -
1971
Sitzverlagerung der AG von Dresden nach Stuttgart im März 1948. Völlig anders geartete Startbedingungen als in Dresden stärken das Unternehmen finanziell und konditionell von Anfang an. Durch unabgestimmte Modellpolitik wird schließlich kaum Gewinn erwirtschaftet und 1971 die gesamte Kameraproduktion stillgelegt. Der Rumpfbetrieb Zeiss Ikon AG mit Sitz in Berlin baut vornehmlich Sicherheitsschlösser und Verschlussanlagen und wird an einen finnischen Konzern Konzern verkauft.
Der Name Zeiss Ikon erlischt 1989.
2. Zeiss Ikon AG Dresden 1926 - 1939
Abb. 1: Zeiss Ikon AG, Umsätze 1928 - 1943
Die Umsätze 1928/29 - 1942/43 umfassen die Warengruppen Kamera, Fachkino, Heimkino,
Schloss, sonst. Umsätze, Instrumente und Militärgeräte [1].
Deutlich sichtbar ist der Rückgang der Umsätze in der Zeit der Weltwirtschaftskriese
(WWKr), aber auch die Steigerung unmittelbar nach 1933 und das überproportionale Wachsen
der Militärtechnik ab 1938, wodurch der bis dahin dominierende Kameraumsatz - wie alle
zivilen Produkte bis 1945 - auf weniger als 5% gesenkt wurden. Während die Steigerung des
Gesamtumsatzes von 1938 bis 1944 durchschnittlich 19% / Jahr betrug, wuchs die
Rüstungsproduktion in diesem Zeitraum um 36% / Jahr und umfasste 1944/45 über 95 % der
gesamten Fertigung.
Die klassischen Gebiete der Produktion von Zeiss Ikon nach der Fusion 1926 bis zu
Kriegsbeginn 1939 sind durch den Kamerasektor (54 %), sonstige Geräte [Projektion,
wissenschaftlicher Gerätebau] (25 %), Fachkino (14 %) und Heimkino (7 %) gekennzeichnet
Abb. 2: Zeiss Ikon AG, Gesamtumsätze [Inland +
Export] 1927 - 1938
Der Steigerung des Kameraumsatzes nach 1933 - vornehmlich mit neuen Kameraentwicklungen bestritten - ist enorm. Es wird auch deutlich, dass der Umsatz für Fachkino aus den Jahren 1929 - 1932 später nie mehr erreicht wurde. Mit der stark ansteigenden Kurve "sonstige Geräte" wird die wachsende Bedeutung des wissenschaftlichen Gerätebaus sichtbar.
Abb. 3: Zeiss Ikon AG, Umsätze Kamera und
Fachkino, Dresdner Werke 1928 - 1937
Bemerkenswert ist der Umstand, dass in der Zeit von 1929 bis 1938 der Export sowohl der Kameratechnik als auch der des Fachkinos größer war als der Inlandumsatz [2]. Nach der Fusion 1926 wurde bis 1934/35 mit Kameras keine oder nur geringe Gewinne erzielt. Erst nach diesem Zeitraum erreichten die Gewinne u. a. mit der Contax I, II und II sowie der Contaflex die beträchtliche Höhe von 20% des Umsatzes. Mit welchen Kameras wurde nach 1932/33 der große Anstieg des Umsatzes erreicht und welche bemerkenswerten Geräte der Kinematographie wurden produziert ?
Zunächst zur Kameratechnik
Nach der Fusion zur Zeiss Ikon AG stand auf dem Gebiet der Kamerafertigung die Neubestimmung des Produktonsprofils und die Rationalisierung der Fertigung im Vordergrund. Aus den Hauptkatalogen der Zeiss Ikon AG von 1927, 1929 und 1938 ist zu ersehen, in welchem Umfang diese Aufgabe bewältigt wurde.
Kamera - u. Liefervarianten |
|||
| 1927 | 1929 | 1938 | |
| Grundmodelle | 100 | 47 (47%) | 14 (14%) |
| Kamera - u. Liefervarianten | 1 050 | 358 (34%) | 55 ( 5%) |
Abb. 4: Zeiss Ikon AG; Rationalisierung und
Grundmodelle 1927 - 1939; neue Grundmodelle ab 1932 - 1939
Ab 1927/28 erfolgt die Hauptrationalisierung durch Typenbeschränkung und fällt in die Zeit der WWKr mit stark fallendem Umsatz. Diese Typenbereinigung brachte keine Umsatzsteigerung und bis 1934/35 außer dem Geschäftsjahr 1929/30 keinen Gewinn. Der steigende Kameraumsatz nach 1933 wird mit neuen Modellen erreicht. die bereits 1936 ca 50% des Kameraangebotes ausmachen, darunter die Nettax, Super Nettel, Ikoflex, Contaflex und Contax I, II und III [3]. Besonders eindrucksvoll ist die Rationalisierung in der Zeit von 1929 und 1938 [4].
Die Kamera Contax umgab infolge dieser Preisbildung, gestützt auf die herausragenden technischen Parameter und einer bis dahin nicht vorhandenen Vielfalt an Zubehör für unterschiedlich Wissenschaftsgebiete eine elitäre Gloriole, die in der Vorkriegszeit über den Namen Zeiss Ikon auf die anderen Kameras abstrahlte. Das Besondere der Contax jedoch lässt sich verallgemeinern und spiegelt einen der Grundzüge der Zeiss Ikon AG wider. Es ist der Umstand, mit großem technischen Verständnis der Mitarbeiter die Nachteile vorhandener Systeme zu vermeiden (in diesem Fall Leica), anspruchsvolle und daher auch teure Lösungen zu kreieren, die aufgrund dieser Ansprüche i. a. große Aufwendungen mit langen Entwicklungszeiten zur Folge hatten. Zusammengefasst: innovativ und präzis, aber teuer und spät. Dieser Zusammenhang ist bis zum Ende der Kameraentwicklung bei Zeiss Ikon erkennbar.
Bereits 1936 begann die Auseinandersetzung der einäugigen Kleinbildsysteme "Entfernungsmesser" oder "Spiegelreflex" mit dem Erscheinen der Kine Exakta. Die Zeiss Ikon AG hat nicht von Anfang an in diesen Systemwettbewerb eingegriffen, der dann praktisch auch erst in den fünfziger Jahren durch andere Kameraproduzenten zugunsten des Spiegelreflex-Systems endgültig entschieden wurde, zu einer Zeit als auch die Zeiss Ikon AG Stuttgart - und nun mit dem falschen Verschluss - endlich nachzog. Erst nach Erscheinen der Praktiflex 1939 (Kamera-Werkstätten Ch. Noble) als zweite Kleinbild-SRK nach der Exakta, begannen die Arbeiten bei Zeiss Ikon in Dresden. Bedingt durch den Krieg, erfolgte diese Entwicklung nur nebenbei unter Leitung von Hubert Nerwin. Bekannt ist die Patentanmeldung der "Syntax" vom 01.09.1941 mit eingebauten schrägliegendem Pentaprisma.Alle archivierten Unterlagen und wahrscheinlich ein Muster verbrannten beim Angriff 13. / 14. Febr 1945.
Zur Kinematographie
Die Gruppe der kinematographischen Geräte spielte hinsichtlich der darin enthaltenen
bahnbrechenden Innovationen für Zeiss Ikon AG eine ebenfalls herausragende Rolle,
wenngleich die Umsatzhöhe von Kameras nicht erreicht wurde. Vergl.
Abb. 3.
In der Zeit von 1928/29 bis 1932/33 dominiert der Export Fachkino. Nach der WWKr. 1929
geht er bis 1932 auf 24% zurück und wird sich nie wieder wesentlich erholen. (Der
Kameraexport dagegen geht im gleichen Zeitabschnitt "nur" auf 53% zurück). In
den Geschäftsberichten des Vorstandes der Zeiss Ikon AG sind über den Exportrückgang
Fachkino in dieser Zeit keine ausreichenden Erklärungen zu finden [5].
erfolgt der Hinweis, "dass infolge der Unsicherheit, die durch den
Tonfilm entstanden sind, der Absatz in den Anfangsmonaten stockte".
Die Entwicklungen bei Zeiss Ikon umfasste die Elemente wie Antrieb, Kühlung, Licht - und Tontechnik sowie deren kombinierte Anwendung in den Ernemann - Projektoren. Die Grundlagenarbeiten an Spiegelbogenlampen zur Verbesserung der Filmbeleuchtung mit der Erforschung des Becklichtbogens (Farbfilm, Farbtemperatur) führten zu den Spitzenleistungen auf dem Gebiet der Kinolampen (u.a. Magnasol-Typen) und passten die Kinoprojektoren in Varianten an die Theatergrösse an.
Ausgangspunkt war der Kinoprojektor
1934 kam die
Ende 1934 erschien die
Auf dem Gebiet des wissenschaftlichen Geräte - und Instrumentenbaues wurden
ausserordentlich vielschichtige Programme bearbeitet. Genannt werden müssen hier die
Arbeiten auf dem Gebiet der Zeitlupe, wobei bereits 1929 mit der 35 mm Zeitlupe
Aufnahmefrequenzen von 1500 B/sec und mit der 1938 vorgestellten 16 mm Schmalfilm -
Zeitlupe 3000 B/sec erreicht wurden. In dieses Gebiet fällt die Anwendung eines Stereo -
Hochgeschwindigkeits - Aufnahmesystems bis zu 100 B/sec zur Olympiade 1936. Hierunter
fallen aber auch die 1937 entstandenen Mikrofilmgeräte, darunter eine
Dokumentenregistrierkamera mit teilautomatischen Filmtransport bis zu 1 000 Aufnahmen/h
und das Lese- und Betrachtungsgerät "Ikoscop".
In Anlehnung an das Photo- und Kinogebiet entstanden der Densograph zur Schwärzungs- und
Gradationsmessung, der Spektro - Densograph für Farbuntersuchungen und das Zeiss - Ikon -
Sensitometer mit Fallverschluss 1/20 sec, genormter Lichtquelle und neutralem Stufenkeil
zur Bestimmung der DIN - Empfindlichkeit von Filmmaterialen. Hierzu gehören die Arbeiten
zur Herstellung von Polarisationsfolien mit grosser Reinheit, die wiederum die
Voraussetzung für des Stereo - Verfahren waren, das Zeiss Ikon in einem neuen
Halbbildsystem für Stehbild und Laufbild entwickelte. Zur berührungslosen
Drehzahlmessung entwickelte Zeiss Ikon das Stroboskop. Aber auch an medizinischen
Geräten, wie z. B. dem Instrument zur Bestimmung des Hämoglobingehaltes des Blutes wurde
gearbeitet.
Die mit dem Tonfilm im Zusammenhang stehenden Fragen der Niederfrequenztechnik und der
Photozellen sowie die Arbeiten an Messgeräten mit Braunschen Röhren schafften wiederum
die Voraussetzungen für die Arbeiten auf dem Gebiet des Fernsehens.
Initiator der Fernseh AG war Prof. Goldberg. Es war ein Zusammenschluss von Baird, Loewe,
Bosch und Zeiss Ikon. Zwei Gedanken hierfür waren entscheidend: Trotz der unangefochtenen
Quasi - Monopolstellung der Zeiss Ikon auf dem Gebiet der Kinoprojektoren, war um diese
Zeit Zeiss Ikon selbst ernsthaft am Übergang zum Tonfilm gehindert, da ihm der Zugang zu
einem entscheidendem Patent fehlte (Hinweis zu den Geschäftsberichten 1930 u. 1931).
Goldberg glaubte, dass durch eine frühe Mitarbeit auf dem TV-Gebiet eine strategisch gute
Position für Deutschland und Zeiss Ikon zu erreichen sei. Aus einer Notiz vom 06. Okt.
1939 ist zu entnehmen, dass im Labor von Dr. Görlich (ab 1960 Forschungsdirektor im VEB
Carl Zeiss Jena) 26 "Leute" mit der Fernsehentwicklung befasst waren und damit
noch nach Kriegsbeginn dieses Thema bearbeitet wurde [6].
Mit den Sparten Instrumente, Rechenmaschinen, und "sonstige Geräte und Materialien
" (darunter Film) erreichte die Zeiss Ikon AG ein mehrfaches des Fachkinoumsatzes,
womit dieser Bereich vor dem Krieg als eigentliche zweite Kraft nach dem Kameraumsatz
anzusehen sind. Vergl. Abb. 2.
In einem Bericht vom 26. Februar 1946 des eingesetzten Treuhänders von Zeiss Ikon, Kurt Fabian, (nach Ablösung von Dr. Falkenstein) ist zu lesen, dass "dieses grosse Entwicklungs- und Fertigungsprogramm durch den Krieg gestoppt" worden sei und die Firma im Krieg für "mannigfaltige Zwecke eingespannt" wurde [7]. Das ist so nicht haltbar und stellt die Dinge auf den Kopf.
Richtig ist, dass aufgrund der breiten wissenschaftlichen Entwicklungen auf den erwähnten Gebieten in Verbindung mit den Erfahrungen der Präzision in der Massenfertigung Zeiss Ikon geradezu prädestiniert war, Aufgaben der modernen Rüstungstechnik zu übernehmen, die Leitung des Konzerns dies auch in hohem Maße ab 1935/ 36 aufgrund günstiger Konditionen getan hat und als Folge der Kriegsentwicklung - konsequenterweise mitverursacht durch den eigenen Beitrag zu Beginn - diese Militäraufgaben bis nahezu 100% Auslastung weiterführen musste.
3. Zeiss Ikon AG Dresden 1939 bis 1945, die Kriegsjahre
Die Beschäftigtenstrukturen der Zeiss Ikon AG, Werke in Dresden und der Werke insgesamt für den Zeitraum 1938 - 1944 sind in Abb.5 dargestellt. Deutlich ist die einheitliche Struktur zu erkennen. Die Hauptbetriebe mit dem größten Personalanteil waren in Dresden etabliert. Der wesentliche Anteil der Beschäftigten wird durch die Produktionsarbeiter bestimmt, der ab 1939/40 stark ansteigt, wobei das Verhältnis von Arbeitern zu Angestellten von 3,1 : 1 (1939) nach nur 3 Jahren auf 6,7 : 1 (1942) um das Doppelte verbessert wird.
Der Anteil der Frauen als Produktionsarbeiter steigt von 1938/39 ständig an und beträgt 1940 bereits 1:1 zum männlichen Anteil, d. h. der Anteil der Angelernten steigt. Das erforderte zusätzlich präzisere Arbeitsvorbereitungen durch das Techn. Personal, das - als Angestellte ausgewiesen - nur um das 1,7 fache steigt. Die max Anzahl der Produktionsarbeiter beträgt 1942 für Dresden 12.705 und 1943 für alle Werke 16.658 Produktionsarbeiter.
Bemerkenswert ist die durchgängig starke Lehrlingsausbildung. Durchschnittlich bildete die AG in Dresden 240-280 Lehrlinge (Hauptanteil Ernemann Werk) und insgesamt 350-400 Lehrlinge aus.
Die Einberufenen (Dresden max 1402, gesamt max 2084) werden ca. um das Doppelte durch ausländische Arbeitskräfte ersetzt, vergl. Abb. 6.
Dabei handelt es sich zum geringen Teil um dienstverpfilchtete Ausländer aus den besetzten Gebieten (Franzosen, Niederländer, Belgier, Tschechen) und um Kriegsgefangene, die als Facharbeiter tätig waren.
Zum überwiegenden Teil handelt es sich um Zwangsarbeiterinnen aus dem Osten (Russinnen, Ukrainerinnen, Litauerinnen, Polinnen) die als ungelernte und angelernte Kräfte eingesetzt wurden.
Abb. 6: Zeiss Ikon AG;
Ausländische Arbeitskräfte, Kriegsgefangene
Dargestellt sind Lohnempfänger (Produktionsarbeiter) aus der Beschäftigtenstruktur (Abb. 5) für den Zeitraum 1942-1944. Der Anteil der deutschen Arbeitskräfte nimmt stetig ab. Der Anteil der ausländischen Arbeitskräfte schwankt zwischen 2000 u. 2500 und wächst von 1942 zu 1944 anteilig von 16 % auf 22 %. Die Anzahl der eingesetzten Kriegsgefangenen (überwiegend Facharbeiter) betrug im Durchschnitt
| Ausländische Arbeitskräfte, Kriegsgefangene | |
| Jahr | Anzahl der eingesetzten Kriegsgefangenen |
| 1942 | 60 |
| 1943 | 128 |
| 1944 | 141 |
Über den Einsatz von 300 Juden bei Zeiss Ikon in Dresden sind außer dem Schreiben von Zeiss Ikon v. 16.02.42 an d. Höh. SS u. Polizeiführer Prag im Zusammenhang mit der Errichtung des Lagers Hellerberge keine Hinweise in den Betriebsunterlagen der Zeis Ikon AG (Sächs. Hauptstaatsarchiv Dresden) zu finden [8]. 895 KZ Häftlinge wurden im Goehle Werk und Juden im Goerz Werk eingesetzt.
Rüstungsproduktion
Bei der Beschreibung der Kriegsproduktion von Zeiss Ikon sind die "klassische" optisch - feinmechanische Rüstungsproduktion wie Sehrohre und Zielfernrohre zu berücksichtigen die bei Goerz (Berlin) von Anfang an lief; ebenso die neu aufgenommenen Rüstungsaufgaben in den Dresdner Werken wie z. B. die aufwendige Entwicklung der Bombenzielgeräte (BZG), die Massenfertigung wie Zünder (Goehle - Werk) und optische Bauelemente für alle Arten optischen Kriegsgerätes. Hervorzuheben sind dabei die besonderen Kalkulationen für Gemeinkosten, Gewinne u. Erprobungskosten, die infolge der Überprüfung durch das Reichs - Luftfahrtministerium (RLM) mehrfach zu Rückzahlungen an das Reich und zu mehrjährigen Auseinandersetzungen über Preise und Gewinne mitten im Krieg führten. Interessant und typisch sind auch die zeitlichen Abläufe spezieller Rüstungsentwicklungen, die teilweise 3 bis 4 Jahre dauerten und deshalb auch gar nicht mehr zum Einsatz kamen.
Abb. 7: Rüstungsproduktion Zeiss
Ikon AG; ausgewählte Positionen
Von 260 Mitarbeitern F + E (Forschung und Entwicklung) waren jeweils ca 1/3 für Arbeiten am BZG, für Schwachstrom und Nachrichtentechnik sowie für Instrumentenentwicklung und Röhren eingesetzt. Bereits ab 1938/39 beginnen die Auseinandersetzungen mit dem RLM über die Höhe der Gewinnkalkulation.
| Gewinne für Militärgeräte | ||
| Zeiss Icon | RLM | |
| 1938/39 | 14,3 % | 12 % |
| 1939/40 | 15,5 % | 11 % |
Der Streit dauert bis April 1942. Es werden 12 % festgelegt. Zeiss Ikon muß 5,4 Mio RM an das RLM zurückzahlen für Lieferungen 1938 - 1940 [9]. Die Gemeinkosten der Militärtechnik wurden über den Durchschnitt der Gesamtproduktion gelegt [10].
| Gemeinkosten Militärtechnik Zeiss Ikon | ||||
| 1937/38 | 1938/39 | 1939/40 | 1940/41 | |
| gesamt [%] | 262 | 282 | 260 | 232 |
| Militärtechnik [%] | 357 | 309 | 256 | 260 |
| Faktor | 1,4 | 1,1 | 1,12 | |
Aus diesem Grund waren aus Lieferungen der Optik für Panzerzielfernrohre [Pz] wegen
überhöhter Preise folgende Summen an das RLM zurückzuzahlen [11].
Neben den Rüstungsentwicklungen- und Produktionen für den direkten Waffeneinsatz
bemühte sich Zeiss Ikon um spezifische kriegswichtige Entwicklungen der Mess- und
Prüftechnik
Auf eine seltsame Weise wird hier trotz der Kriegsanspannung die immer wieder erkennbare Selbstgefälligkeit einer extremen Facharbeit deutlich, die zu mehrjährigen Entwicklungszeiten führte, so dass die Produkte schließlich nicht mehr einsetzbar waren, aber enorme Gelder verschlangen und die Entwicklungsabteilungen immer auslastete. Entwicklungen dieser Art waren z. B.:
Ausländische Arbeitskräfte
Bei Zeiss Ikon (im Ernemann W.) wurde ein Arbeiterverzeichnis geführt, in dem alle neu
eingestellten Produktionsarbeiter ihr Einverständnis zur Arbeitsordnung durch
Unterschrift zu bestätigen hatten [13].
Dieses Hauptbuch wurde von 1921 bis 1924 und in der Zeit v. April
1940 bis Okt. 1949 aktiv geführt.
Das Buch gibt auch darüber Aufschluss, dass bei Zeiss Ikon AG in Dresden am 07. Mai 1945
- einen Tag vor Kriegsende - die letzte Einstellung im Krieg und am 01.Juni 1945 die erste
Einstellung nach dem Krieg vorgenommen wurde.
Nach diesem Arbeiterverzeichnis, Seite 70, wurden u.a. französische Krieggsgefangene als
Facharbeiter eingesetzt, von denen später eine Anzahl in ein ziviles Arbeitsverhältnis
überführt wurden. Sog. Ostarbeiterinnen (u. a. Russinnen, Polinnen), Seite 90, wurden ab
1942 in großer Zahl eingesetzt.
Über die deutsche Arbeitsbehörde des jeweiligen Distriktes im besetzten Ostgebiet wurde
den Betroffenen der "Verpflichtungsbescheid" zugestellt. Mit Datum 3 Wochen
später finden sich diese Personen im Einstellungsfragebogen für weibliche Lohnempfänger
von Zeiss Ikon wieder. Allein im Jahr 1942 wurden 169 Einstellungen von
"Ostarbeiterinnen" aus der SU (Lager Dresden, Winterbergstr.) [14]
und 172 Einstellungen von "Ostarbeiterinnen" aus Polen
(Lager Dresden - Seidnitz) [15] vorgenommen.
Die Akkordlöhne betrugen für Polinnen 0,30 RM / h, für Tschechinnen 0,50 RM / h und
für Niederländer, Belgier, Franzosen 0,60 ... 0,78 RM / h.
Abb. 8: Zeiss Ikon AG,
Akkordlöhne zwangsverpflichteter ausländischer Arbeiter, Durchschnittsverdienste Zeiss
Ikon 1942
Danach erhielten z. B. zwangsverpflichtete Polinnen ca 55% des Bruttolohnes der
deutschen Arbeiterin (vergl. Säule 1/4) und ausländische Zwangsverpflichtete, die als
Facharbeiter eingesetzt waren ca 66% des vergleichbaren Bruttolohnes eines deutschen
Facharbeiters (vergl.Säule 3/6).
Die im Werk Ernemann beschäftigten Polinnen z. B. hatten hiervon für Miete im Lager
Dresden - Seidnitz 7,35 RM/Woche und für Verpflegung 3,50 RM/Woche zu zahlen. Das
bedeutete 25 % Netto.
An die AOK wurde ein Ostarbeiter - "Arbeitnehmeranteil" von Juni bis November
1943 in Höhe von ca 15.500 RM/Monat - 17.000 RM/Monat [16].
Urlaub für "Fremdarbeiter"
Ausländischen Arbeitern, vorwiegend aus den besetzten Westgebieten wurden in der Zeit von 1941 - 1944 in mehr als 200 Fällen ein 2-wöchiger Heimaturlaub gewährt. Persönliche Bürgschaften für die Rückkehr waren zu leisten, die ab 1944 in Gemeinschaftsbürgschaften verschärft wurden, da immer mehr Dienstverpflichtete nicht mehr zurückkehrten; (letzte Urlaubsorganisation im Mai 1944) [17].
Rüstungskredite, Gewinne und Dividenden
Die Poduktion, die Umsätze und die Gewinne stiegen in den Kriegsjahren ausserordentlich aufgrund der besonderen Kalkulationen einerseits und der teilweise günstigen Lohnbedingungen andererseits (Fremdarbeiter). Allein zwischen Dez. 1940 und Aug. 1942, also in weniger als zwei Jahren wurden vom RLM an Zeiss Ikon 5 Rüstungsaufträge in Höhe von 120,5 Mio RM vergeben. Die Deutsche Bank, Filiale Dresden, finanzierte diese Aufträge durch Bürgscheine und zahlte an die Zeiss Ikon AG in diesem Zeitraum als Anzahlung 14,7 Mio RM zur Finanzierung der Entwicklung und Produktion.
Bereits nach der Fusion 1926/27 steigt der Jahresgewinn mit den Umsätzen von Kamera und Fachkino auf 1,4 Mio RM. Die Dividende wurde moderat ausgeschüttet. Nach der WWKr. (1932/33) entstehen Verluste, die Dividende geht zu Null. Nach 1933 steigt der Jahresgewinn bis auf 1,6 Mio RM an. Die Ausschüttung der Dividende, die bis 1938 bereits auf über 1 Mio RM wuchs, wird im Krieg mit 1,2 Mio RM festgeschrieben [18]. Ab 1939 resultieren diese Gewinne in steigendem Maße aus der Rüstungsproduktion [19].
Zerstörung 13. / 14. Febr. 1945, Gesamtschadensberechnung, Kriegsende
Die Zeiss Ikon AG erfährt im Jahr 1945 die entscheidenden Zäsuren an ihrer Struktur und Leistungsfähigkeit durch die erhebliche Teilzerstörung im Febr. 1945 und die Demontagen im Aug. 1945, womit das Ende der grossen Ära der Zeiss Ikon AG eingeleitet wird.
Zunächst die Folgen der Bombardierung Dresdens am 13. / 14. Febr. 1945 für die Zeiss Ikon AG [20].
In Dresden wurden bis 1945 die 4 Hauptwerke Ica, Ernemann, Reick, Goehle mit den dargestellten Zweigbetrieben unterhalten. In diesen Betrieben waren im Febr. 1945 ca 12 600 Personen beschäftigt.
Abb. 9 Zeiss Ikon AG; Situation
unmittelbar nach der Teilzerstörung Febr. 1945
Das Ica W. wurde stark beschädigt (Gebäudeschaden ca 50 %) und fiel für die Produktion fast ganz aus. Ebenso wurden die Zweigbetriebe Alpha und Delta (später Ihagee) vollständig zerstört. Vom Ernemann-Werk (Gebäudeschaden ca 20 %) wurde der Altbau stark getroffen und die Beta- und My-Betriebe ebenfalls vollständig zerstört. Das Reicker W. und das Goehle W. blieben unversehrt. Die übrige Kameraindustrie Dresdens war zu 80 % zerstört.
Die 4 Hauptwerke mit dem Lager Seidnitz erreichten bereits am 05. März 1945 einen Beschäftigungsgrad von 51 % [Prod. Arbeiter/Sollstärke], darunter Reick W. 68 % und Goehle W. 60 %.
Mit den Instandsetzungsarbeiten des Ica W. und des Ernemamm W. wurde sofort begonnen, so dass bis Mitte April im Ica W. 1 000 und im Ernemann W. 1 200 Lohnempfänger die Produktion wieder aufnahmen [21]. Beim Einmarsch der Roten Armee waren in den Dresdner Werken der AG ca 6000 Produktionsarbeiter und ca 1650 Angestellte beschäftigt.
Die Gesamtsumme der im Ica W. u. Ernemann W. und den zerstörten Kleinbetrieben vernichteten Warenbestände (Fertigwaren, Halbfabrikate, Rohmaterial) ist mit 17,7 Mio RM ermittelt und der sog. Stilllegungsgrad der Werke in Dresden für den Febr. 1945 mit 32 % festgestellt. Bereits im April 1945 waren die Antragsentwürfe für einen Vorschuss von 10,6 Mio RM durch das Reich für Material und eine Beihilfe für laufende Verpflichtungen (Miete, Patente, Löhne) in Höhe von 0,6 Mio RM an das Kriegsschädenamt ausgearbeitet [22].
Letzte Aktivitäten
In Reick erkrankten im März 1945 ca 100 KL - Häftlinge (Jüdinnen) an Fleckfieber und
Thyphus. Für Befestigungsarbeiten müssen zum gleichen Zeitpunkt bis zu 200
Betriebsangehörige an die Reichsbahn abgegeben werden, wogegen Zeiss Ikon scharfen
Einspruch erhebt, da die Rüstungsfertigung dadurch gefährdet sei. Es wird vorgeschlagen,
diese Kräfte aus dem Kreis der "Bummelanten und Müßiggänger der ausgebombten
Betriebe" zu rekrutieren [23]. Im Januar 1945 kontrolliert der
Gauleiter von Sachsen, Mutzschmann, anlässlich eines Durchhaltebesuches im Werk Reick u.
a. die ordnungsgemäße Zahlung von Gratifikationen anlässlich von Jubiläen der
Arbeiter. Die Betriebsleitung wird gerügt, weniger zu zahlen als die Mutzschmann -
Anordnung von 20 RM pro Jubiläumsjahr bestimmte, worauf die Geschäftsleitung eine große
Aktivität entfaltet um zu verhindern, dass die Führungsspitze in Misskredit gerät. Eine
der schwer zu verstehenden Kriegswichtigkeiten, um die die Leitung von Zeiss Ikon AG 4
Monate vor dem Ende besorgt war [24].
Scheinbar unberührt von den Kriegsereignissen läuft indessen die innere Organisation von
Zeiss Ikon AG, insbesondere die finanzielle Organisation weiter. Es wird noch am
23.04.1945 eine Finanzhilfe vom Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion
eingefordert für finanzielle Verluste in Höhe von 223 367 RM, die durch ausgebliebene
Lieferungen französischer Firmen infolge der inzwischen erfolgten Besetzung durch die
Allierten eingetreten waren. Durch ausgebliebene Zahlungen für Lieferungen wird Carl
Zeiss Jena mit Schreiben v. 28.04.45 (Amerikaner sind bereits im Zeiss Werk Jena)
aufgefordert wird, rückständige Zahlungen mit Verrechngsscheck über Boten zu begleichen
[23]. Noch am 02.05.45 (Russen stehen vor
Dresden) wird der Lieferpreis eines Visiergerätes durch Dir. Simader mit 714 RM
festgelegt.
Von besonderer Delikatesse ist die Einberufung der ordentlichen Hauptversammlung der
Aktionäre für den 21.04.1945 nach Jena u. a. zur Ausschüttung der Dividende 1942/43,
Verwendung des Reingewinnes 1943/44. Der Vorsitzende des Aufsichtsrates v. Carl Zeiss
Jena, Dir. Henrichs befindet diese Terminstellung als zu kurz bemessen und gibt an Dr.
Küppenbender den Vorschlag 12.05.45 (!), der diesen Termin auch bestätigt [25].
Bemerkenswert sind die finanziellen Bewegungen, die unmittelbar vor und nach dem
Kriegsende von Zeiss Ikon AG vorgenommen wurden. Im April
1945 wurden zu Lasten der Konten Zeiss Ikon Dresden Schecks und Akkreditive in Höhe von
1,5 Mio RM an das Contessa Werk durch die Dresdner Bank überwiesen. Dir. Simader teilt
dazu am 24.04.45 mit, dass damit "nach der inzwischen erfolgten Besetzung durch die
Feindmächte die frühere Zivilfertigung wieder anlaufen" kann
[26].
Zeiss Ikon verfügte am 07.05.1945 über ein Bankguthaben* von 10,8 Mio RM, am 31.07.1945
über 6,7 Mio RM und am 07.12.1945 noch über 74,8 T RM, d. h. es wurden ca 10 Mio RM in 8
Monaten abgebucht. [27]. Für die Bezahlung der ca 1 000 Mitarbeiter
bei quasi ruhendem Geschäftsverkehr wären in dieser Zeit nicht mehr als 2 Mio RM
erforderlich gewesen.
Am 08 Mai 1945 wird das Ica Werk als Zentrum der Rüstungsproduktion der Zeiss Ikon AG in
Dresden und alle übrigen Werke von Militärkommandos der Roten Armee besetzt.
4. Zeiss Ikon Dresden AG, VEB, 1945 bis 1948, Wiederinbetriebnahme, Demontage, Enteignung, Wiederinbetriebnahme [28]
In der Zeit unmittelbar nach der Kapitulation wurde die sofortige Aufnahme einer Friedensproduktion zwischen der sowj. Militärkommission und den deutschen Leitungsstellen vereinbart wurde (ähnlicher Vorgang wie in Jena mit den amerikanischen Dienststellen).
Demontage
Während dieser Vorbereitung erging am 20.06.1945 der Befehl der Demontage der 4
Hauptwerke der Zeiss Ikon und setzte allen laufenden Vorbereitungen einer frühen Aufnahme
der Produktion ein Ende.
(Die Demontage betraf nicht die Ihagee und Kamerawerkstätten Noble, da ausländisches
Kapital).
Die Räumung des Ica-Werk und des Ernemann-Werk umfasste
auch die z.Z. vorhandene Produktion (Kinomaschinen), Material und Einrichtung (Härterei,
Kessel-Anlage), die ab 25.06.45 eingeleitet und mit deutschen und russischen Arbeitern
vorgenommen und wurde.
Die Demontage des Goehle Werkes erfasste alle Maschinen,Geräte, Betriebsmittel,
Fertigungspläne und Zeichnungen, die mit russischen Kräften und mit Unterstützung
deutscher Fachkräfte durchgeführt wurde und bereits am 26.07.45 beendet war [29].
Die Räumung in Reick begann am 22.06.1945. Sie erfasste alle Einrichtungen,
Material, Licht - Gas- und Kraftanlagen bis zum Feuerlöscher. Beteiligt waren russische
und polnische Kräfte. Durch unsachgemäßes Verpacken und Hektik sind bereits beim
Transport zum Bahnhof erhebliche Schäden an hochwertigen Maschinen bis zur
Unbrauchbarkeit eingetreten [30]. Zusätzlich wurden alle Zweigwerke
und Ausweichlager mit allen Maschinen, Einrichtungen und Materialien demontiert sowie die
Berliner Werke, nicht aber das Contessa Werk geräumt. Insgesamt kann die Demontage als
total bezeichnet werden.
An deutschen Arbeitskräften wurden 1050 Betriebsangehörige für die Räumung [12
Stunden/Tag eingesetzt und mit 4,35 RM/Tag von den sowjetischen Kommandostellen
entlohnt. Zusätzlich wandte Zeiss Ikon hierfür ca 0,5 Mio RM zur Bezahlung auf.
Die direkten materiellen Verluste der nahezu vollständigen Demontage wurden mit 30 Mio RM
bis 40 Mio RM geschätzt [31].
Die Aufnahme einer Friedensproduktion war in die Ferne gerückt und musste - wenn
überhaupt möglich - auf den verbliebenen Resten aufbauen.
Die Belastung der Zeiss Ikon AG Dresden gingen aber noch weiter. Mitte Dez. 1945 forderte
die Reparationskommission bei Carl Zeiss Jena, dass alle Konstrukteure, einschliesslich
des Chefkonstrukteurs (W. Winzenburg) und Dr. P. Görlich sofort nach Jena zu überführen
sind [32].
Diese endgültige geistige Liquidation konnte in längeren Verhandlungen mit
Unterstützung der SMA Sachsen verhindert werden und führte dazu, dass die erste
Rekonstruktion der Contax im Auftrag der Reparationskommission doch in Dresden
durchgeführt und im Februar 1946 abgeschlossen werden konnte.
Hintergrund dieser Vorgänge war der Entschluss bei Carl Zeiss Jena vom Sept. 1945, in
Saalfeld eine Kamerafertigung und in Gera eine Kinofertigung aufzubauen. Hieraus erwuchsen
zwischen den jeweils kommissarischen Leitungen in Jena und Dresden sehr starke
Diskrepanzen [33].
Der vorgesehene Anlauf der Contax- Produktion in Dresden wurde mit einem Kredit von 1,5
Mio RM für Maschinen und Werkzeugen vorbereitet [33]. Zu einer Produktion der
Contax ist es in Dresden nicht gekommen. DieVerlagerung nach Jena fand statt und 1947/48
wurde eine Pilotproduktion von ca 600 bis 800 Jena- Contax (beige lackiert, braun
beledert, Rarität) in Jena hergestellt und anschliessend mit den Produktionsmitteln nach
Kiew verlagert.
Nach Abschluss der Demontagen entstand im Sept. 1945 ein Notprogramm mit folgenden Prämissen:
Enteignung
Die Enteignung der Fa. Zeiss Ikon AG erfolgte in Etappen.
1. Etappe: Zunächst ordnete der Befehl Nr. 124 v. 30.10.1945 der SMA die "Beschlagnahme und provisorische Übernahme einiger Eigentumskategorien in Deutschland" an, worunter das Vermögen von Zeiss Ikon AG, soweit es in der sowj. besetzten Zone lag, fiel. Zeiss Ikon AG wurde unter Sequester gestellt und zwangsverwaltet.
2. Etappe: Im Volksentscheid des Landes Sachsen vom 30. Juni 1946 über das "Gesetz zur Übergabe von Betrieben der Kriegs- und Naziverbrecher an das Volk" entschieden mehr 82% der Bevölkerung für die Umwandlung der beschlagnamten Betriebe in volkseigene Betriebe.
3. Etappe: Erst der Befehl Nr. 64 der SMA v. 17.04.1948 bestätigte diesen Volksentscheid [35].
4. Etappe: Die Bekanntgabe der Enteignung durch die Landesregierung Sachsen erfolgte am 01.Juli 1948
Der Name des Betriebes lautete nun: Mechanik Zeiss Ikon VEB Dresden, Dresden A 21 , Junghansstraße 1.
Die Firmierung Zeiss Ikon AG war damit in Dresden und der sowj. Besatzungszone gelöscht. Bis zum 01. Juli 1948 war eine Anfangsbilanz zu erstellen, in der alle Kreditschulden von vor dem 09. Mai 1945 nicht aufzunehmen waren.
5. VEB Zeiss Ikon Dresden 1948 bis 1958
Die Aufspaltung der einstigen Zeiss Ikon AG Dresden in unterschiedlich geführte neue Betriebe in Westdeutschland und in Ostdeutschland, die sich seit 1946 aufgrund der politischen Entwicklungen in den Besatzungszonen abzeichnete, wird durch zwei Ereignisse praktisch unwiederruflich gemacht.
Es erfolgte die Einordnung des Großbetriebes in verschiedene Wirtschaftsvereinigungen,
wodurch in kurzer Zeit verwirrende unterschiedliche Namensbildungen entstanden.
ab 17.04.1948 MECHANIK Zeiss Ikon VEB Dresden, VVB MECHANIK in Dresden
ab 1951 OPTIK Zeiss Ikon VEB Dresden, VVB OPTIK Jena
ab Juli 1952 VEB MECHANIK Zeiss Ikon Dresden, Ministerium für Allgemeinen
Maschinenbau
ab 1953 in VEB Zeiss Ikon Dresden
17.03.1958 VEB Kinowerke Dresden, Dresden A21, Junghansstr. 1
Die Änderung des Namens in Kinowerke hatte ihren Grund darin, dass in jener
Zeit die Gründung eines Grossbetriebes mit Kinowerk und Photowerk erwogen wurde.
Grundsätzlich muss man davon ausgehen, dass in den unteren und mittleren Leitungsebenen
des Betriebes in der Mehrzahl - bis auf die als politisch belastet Ausgeschiedenen - die
gleichen Mitarbeiter wirkten und in der Entwicklung, Technologie und
Produktion die gleichen Leistungsträger tätig waren, wie in der alten AG. Dieser Umstand
trug dazu bei, dass eine Reihe solider neuer Entwicklungen mit den vorhandenen
Fachkenntnissen trotz der Kriegsunterbrechungen gerade in den Anfangsjahren der VEB Zeit
entstanden.
Zunächst zu den Kino - und Laufbildgeräten, die in den 50ger Jahren eine erhebliche Bedeutung hatten
[36].Zu nennen sind die 1951 vorgestellte 16mm Reporter-Filmkamera mit
Spiegelreflexsucher, Objektivrevolver und Motorantrieb sowie die 8 mm
Amateur-Schmalfilmkamera zeitgleich mit dem Laufbildprojektor P8 und dem
Tonfilmprojektor Phonolux. Wiederaufnahme der Produktion der Zeitlupenkameras 16
mm und 35 mm 1953 mit der neu entwickelten ZL1 mit bis zu 40 000 B/sec.
Besonders erwähnenswert ist das erste in Dresden hergestellte Vario-Objektiv für 35 mm
Filmaufnahmekameras (1:2, 30 mm - 120 mm), das von Robert Geißler berechnet und
einschliesslich der Mechanik in eigener Produktion - mit Lieferung der Einzellinsen aus
Jena - in Dresden gefertigt wurde.
Wie entwickelte sich der Kamerasektor ?
1947 begnnen die ersten Serien Ikonta 6 x 9 und der Tenax deren Teile während des Krieges ausgelagert waren. Zur LFM 1948 wurde die Ercona gezeigt. Sehr bald fehlten Zentralverschlüsse der Firmen Deckel und Gauthier,die aus vielfältigen Gründen den VEB Zeiss Ikon nicht mehr erreichten. Eine der frühen Aktionen zur Erzielung einer wirtschaftlichen Selbständigkeit war 1950 die Entwicklung und Produktion eigener patentfähiger Zentralverschlüsse im VEB Zeiss Ikon. In weniger als 2 Jahren entstand eine Produktion, die die Zulieferung der klassischen Produktion privilegierter Firmen überflüssig machte. Vorangegangen war die technologische Überarbeitung des Cludor-Verschlusses vom Belca-Werk (Vebur). Parallel entstanden bis 1952 die Spannverschlüsse "Tempor", die Automatverschlüsse "Priomat" der Grössen 0 und 00 und 1958 der Hochleistungsverschluss "Prestor" (Prestor Rapid 1/750 sec 1960). die in großen Serien hergestellt wurden
[37].| Produktion von Zentralverschlüssen | ||||
| 1952 | 1953 | 1954 | 1955 | 1960 |
| 80 000 | 150 000 | 300 000 | 450 000 | 1 000 000 |
Verschlüsse dieser Produktionen finden sich in allen Kameras von Altissa über Penti-
bis Werra-Reihe und in Kameras von Meopta. Zentralverschlüsse aus eigener Dresdner
Produktion wurden auch bis 1965 in die Pentina eingesetzt - aus Dresdner Sicht der
kurzzeitige strategische Rückfall, einäugige Kleinbild- Spiegelreflex mit
Zentralverschluss auszurüsten, - einem System, an dem schliesslich die westdeutsche
Kameraindustrie krankte.
Wilhelm Winzenburg nahm Ende 1945 die 1943 eingestellten Arbeiten an der
"Syntax" wieder auf. Das Ergebnis wurde zur LFM 1948 als Contax S mit der
Neuheit des festeingebauten Penta - Dachkantprismas, einem Grundelement bis heute,
vorgestellt. Der Produktionsanlauf verzögerte sich sowohl aus Gründen erforderlicher
Konstruktionsänderungen als auch infolge von Materialmangel. Erst im Dezember 1949 wurde
die erste Serie von 1 000 Contax S beendet.
In der Zeit des VEB Zeiss Ikon entstanden die Modelle Contax S, D, E, F und FB mit ihren
Varianten und den Pentacon - Bezeichnungen ab 1955, um die Exporte nicht weiter zu
gefährden. Insgesamt erreicht, von der Contax S und der Zentralverschlussentwicklung
abgesehen, der Kamerasektor nicht die Innovation und den Produktionsumfang des Kinosektors
im VEB Zeiss Ikon.
Die Kameraentwicklung wird in dieser Zeit zunehmend von der Entwicklungsabteilung der
Kamerawerke in Niedersedlitz unter der Leitung von Siegfried Böhm bestimmt - dem
späteren langjährigen Technischen Direktor des Kombinates Pentacon. Hiervon zeugt auch
die Eingliederung der Kameraentwicklung des VEB Zeiss Ikon in diesen Betrieb 1957. Die
Produktion der Contax - Kameras allerdings wurde den Kamerawerken nicht übertragen, wie
Kuc mitteilt
Der VEB Zeiss Ikon bestand 1953 aus 5 Werken:
Der Export erreichte 6,7 Mio M, davon ca. 2/3 in das westliche Ausland. Ab 1953
erfolgte die Konzentration der Lehrlingsausbildung der Dresdner VE Betriebe Zeiss Ikon,
Filmosto, Belca Werk und Kamera Werke Niedersedlitz im VEB Zeiss Ikon, so dass dort
traditionsgemäß wieder bis zu 400 (1953) und 550 (1954) Lehrlinge ausgebildet wurden.
Die Produktivität pro Belegschaftsmitglied entwickelte sich wie folgt. Angaben in Tausend
Mark je Belegschaftsmitglied:
| Produktivität pro Belegschaftsmitglied (TM/BM) | ||||
| 1949 | 1950 | 1951 | 1952 | 1953 |
| 5,6 | 6,0 | 5,9* | 4,9* | 6,9 |
Trotz der beachtenswerten Erfolge im VEB Zeiss Ikon auf dem Gebiet der Kinotechnik und des
Verschlussbaues und - mit Einschränkungen - der Contax S gelingt es nicht, den Betrieb in
den 6 Jahren seiner Existenz auf eine gesunde Basis zu stellen. Die Lösung wird in der
weiteren Konzentration der Dresdner Photo- und Kinoindustrie gesehen. Im Oktober 1957 wird
die Bildung eines Kombinates vorgeschlagen, dessen 1. Schritt die bereits zitierte
Umbenennung im März 1958 in VEB Kinowerke war [40]. * Die
Eröffnungsbilanz in DM der Zeiss Ikon AG Stuttgart ist datiert vom 21.06.48.
6. Zeiss Ikon AG, Stuttgart 1948 - 1972 [ 1989 ]
Das Contessa - Werk in Stuttgart-Häslach war nach dem Bombenangriff 1944, der den
grössten Teil der Innenstadt Stuttgarts zerstörte, weitesgehend intakt geblieben.
Kamerateile, Optik, Verschlüsse, die in kleinere Orte ausgelagert wurden, überstanden
neben ebenfalls ausgelagerten Werkzeugmaschinen das Kriegsende. Requiriert oder demontiert
wurde nichts. Mit dem Wechsel der französischen Besatzungszuständigkeit zur
amerikanischen wird die Aufnahme der Kameraproduktion ab 1946 von der amerikanischen
Militärregierung wesentlich unterstützt und ist finanziell bereits lukrativ [41].
Auf indirekte Weise hat Zeiss Ikon AG Stuttgart auch von der Affaire der Entschädigung
profitiert, die die Amerikaner im März 1952 an Carl Zeiss Oberkochen in Höhe von 21,6
Mio DM zahlten (sog. Claims) [42].
Theatermaschinenprogramm
Der Verwaltungsrat hatte im Herbst 1948 beschlossen, eine Fachkino - Fertigung im ehemaligen Werk für Kreiselkompasse von Anschütz & Co. aufzubauen (einem Werk der Zeiss - Gruppe), da dort um diese Zeit ein Fertigungsverbot bestand. Die Gründung erfolgte offiziell am 13. 11. 1948. Begonnen wurde in einer ehemaligen Torpedo - Versuchswerkstatt mit einer Weiterentwicklung der EVII. Am Beginn standen sehr große Funktionsschwierigkeiten infolge unzureichender Erpobung, die behoben wurden. Dieser Kinoprojektor trug später die Bezeichnung "Ernemann IX" Schrittweise hierzu entstanden neue Erzeugnisse für Magnetton und Breitbildfilm sowie die Xenon lampen "Xenosol" und Geräte der Automatisierung von Kinovorführungen, Hintergrund - Projektion und später Fernsehstudio - Einrichtungen.
* Hintergrund bildeten die im April 1945 in Jena requirierten Laborgeräte, Zeichnungssätze, Objektivberechnungen, die auf Anordnung der US Armeekommision zum Aufbau eines neuen Werkes in der amerikanisch besetzten Zone dienen sollten aber verschwanden. Dieses Verschwinden wird eingeklagt und die Prozedur endet nach ca 6 Jahren m. der Zahlung dieser Summe.
Heimkino (Aufnahmekamera und Projektor sowie Diaprojektor) bleibt in Stuttgart ein
untergeordnetes Programm. Hervorzuheben ist die "Movikon 8" (8 mm
Schmalfilmkamera in Querlage). Zeiss Ikon AG Stuttgart war jedoch im Wesentlichen mit der Kleinbild-Kamera
verbunden. Schrittweise erfolgte die Einführung von Vorkriegsmodellen in die
Produktion, an hochwertigen Modellen die Super - Ikonta mit Tessar und Compur -
Verschluss, die mittlere Preisklasse der Ikonta und die Nettare. Die ersten
Kameras nach 1945 wurden u. a. mit Schneider - Objektiven aus Kreuznach und den
ausgelagerten Zentralveraschlüssen bestückt, bis Deckel u. Gauthier lieferfähig waren.
Objektive u.a. für die Contax III wurden bis zur eigenen Produktion in Oberkochen aus
Jena bezogen.
Auf der ersten Photokina, Mai 1950 stellt Zeiss Ikon Stuttgart die Contax IIa u.
1951 die Contax IIIa vor, jeweils als Nachfolge der C II u. C III. Diese Kameras
waren noch mit Jenaer Objektiven bestückt. Am 18.05.1956 übernimmt Carl Zeiss Oberkochen
die Voigtländer AG. Allerdings werden zwischen Zeiss Ikon Stuttgart AG und der
Voigtländer AG keine gemeinsamen Ziele hinsichtlich der Entwicklung fixiert und eine
gemeiname Vertriebsgesellschaft wird erst am 01.01.1966 gegründet. Bessere SRK - Modelle
von Voigtländer werden von Zeiss Ikon zurückgehalten. Mit Verzögerung und erst nach
Design- und Namensänderung wird z.B. die Bessaflex von 1963 nach 3 Jahren als Zeiss Ikon
Kamera Ikarex 35 angeboten
An bedeutenden Kamera - Ausführungen sind zu nennen
[44]:
Die Prozesse
An dieser Stelle sollen kurz die Prozesse erwähnt werden, die aufgrund der Beibehaltung des Namens Zeiss Ikon und der Weiterbenutzung der Warenzeichen u. a. "Contax", "Tenax" und "Ercona" durch den VEB Zeiss Ikon Dresden zwischen der AG in Stuttgart und dem VEB in Dresden entstanden. Sie wurden im Zeitraum von 1951 bis 1958 ausschliesslich vor bundesdeutschen Gerichten ausgetragen, beschäftigten eine große Zahl bundesdeutscher Anwälte, die teilweise mit Vehemenz für die ostdeutschen Interessen stritten und sie nahmen auch possenhafte Züge an. Die umstrittene "Rechtslage" der Sitzverlegung der Zeiss Ikon AG von Dresden nach Stuttgart durch die Hauptversammlung am 03.03.1948 muss im Zusammenhang mit der ebenfalls erfolgten Verlagerung des Sitzes der Carl Zeiss Stiftung von Jena nach Heidenheim am 23.02.1949 gesehen werden
[45]. Darüber existiert eine grose Anzahl von bundesdeutschen Veröffentlichungen, in denen alles erklärt wird und trotzdem benötigt der Rechtsweg 8 Jahre zur endgültigen Entscheidung im Falle Zeiss Ikon und - das sei hinzugefügt - im Fall der Prozesse um den Namen Carl Zeiss über 15 Jahre, innerhalb deren beide Seiten 30 Mio DM in die Prozesse steckten und schließlich vertraglich die Interessengebiete fixierten.
Zurück zu Zeiss Ikon Stuttgart
Die gesamte Struktur unter Carl Zeiss Oberkochen vom April 1970, die ca ein Jahr danach wieder zerfiel, ist inAbb.10 dargestellt.
Abb. 10: Zeiss Ikon AG 1971, im Verband
von Carl Zeiss Oberkochen
| Struktur unter Carl Zeiss Oberkochen | |
| Betrieb | Beschäftigte |
| Voigtländer Braunschweig | 2 037 |
| Goerz Berlin | 1 876 |
| Zeiss Ikon Kiel 626 | 626 |
| Contessa Stuttgart | 1 876 |
| Werk Schelkingen | - |
Die Zentralverschlusswerke Prontor Werk, Alfred Gauthier GmbH, Calmbach Compur Werk GmbH & Co, München sind in die Zeiss Gruppe eingeordnet, woraus die langjährige Zentralverschluß-Lastigkeit direkt erklärbar wird. Die Möglichkeiten der nachgewiesenen Einflussnahme des Bevollmächtigten auf Lebenszeit, Dr. H. Küppenbender ist ersichtlich. Die Entwicklung der Mitarbeiterzahlen, des Umsatzes, der Gewinne, aber auch der Verluste und der wesentlichen Daten sind im Überblick in
Abb. 11 dargestellt.
Abb. 11: Zeiss Ikon AG Stuttgart, 1948 - 1980, Mitarbeiter,
Umsatz, Gewinne / Verluste
Die Fakten sind also, dass nach Abschluss des Verschmelzungs-Vertrages (09.01.70) noch im gleichen Jahr (21.12.70) das Contessa Werk und ca. 1 1/2 Jahr später (04.08.71) das Voigtländer Werk und das Zett Werk (Projektoren) geschlossen und die gesamte Kameraproduktion aufgegeben wird.
Die offizielle Formulierung zur Einstellung der Kameraproduktion lautete, "... dass lohnintensive Kameras auch der mittleren Preisklasse in der BRD nicht mehr zu konkurrenzfähigen Preisen angeboten werden können" [49].**
** Anmerkung: Ähnlich und gleich oberflächlich lautete 20 Jahre später die Formulierung der Treuhandanstalt zum Stillegungsprozess von Pentacon Dresden v. 02.10.1990, " ... dass gegen eine überwältigende Konkurrenz aus Ostasien ..." eine Wettbewerbsfähigkeit nicht erreicht werden kann.
Zusammenhang von Modellpolitik und Betriebsentwicklung der Zeiss Ikon AG Stuttgart
Die Einstellung der Kameraproduktion bei Zeiss Ikon Stuttgart ist auf das Zusammenwirken mehrerer Einflüsse zurückzuführen, deren Wirkungen weitestgehend zu verhindern gewesen wären. Anders als die Kameraindustrie in Dresden nach 1960, die mit einer Fertigungstiefe von ca 96% alle Komponenten wie Elektronik, Automatisierungsmaschinen, Einzelteile u.a. selbst herstellen musste, da eine Kooperation im großen Stil in der DDR nicht möglich war, arbeitete Zeiss Ikon Stuttgart im Umfeld einer funktionierenden wirtschaftlichen Infrastruktur. Trotzdem stieg die Kameraproduktion in Dresden nach 1972 bis 1984 um 60% auf 450 T SRK und bei Zeiss Ikon Stuttgart wurde sie eingestellt [50].
Die Ursachen im Fall der Zeiss Ikon AG Stuttgart sind u.a.:
Diese Einflüsse sind in der Literatur weitesgehend behandelt.
Hier nur einige Worte zur Entwicklung und Rationalisierung. Lt. Dr. Küppenbender deckten
die Kameras, die 1970 verkauft wurden die Entstehungskosten nur zu 75 %, also 25 % Verlust
[51]. Um diese Zeit wurde mit den SRK
aus Dresden 1 Ostmark Herstellungskosten zu ca 0,4 DM verkauft; nach Umrechnung mit dem
Wechselkurs in dieser Zeit von ca 4:1 also mit 1,60 DDR Mark. D. h. die Entstehungskosten
wurden mit 60% plus vermarktet. Und das bei dem Rufbild des "billigen Jacob",
das diesen Kameras angeheftet wurde. Die Rolle der japanischen Konkurrenz wurde nicht
erkannt und deshalb darauf auch nicht rechtzeitig reagiert.
Eine langfristig wirkende Entwicklungskonzeption gab es bei Zeiss Ikon Stuttgart nicht.
Aufwendige, für sich allein stehende Typen sind hierfür der Beleg. 1969
existierten 5 verschiedene Reflexsysteme, die sich untereinander Konkurrenz machten und
deren Objektive untereinander nicht austauschbar waren. Das zu lange Festhalten am
Zentralverschluss geht auf den Wunsch von Dr. Küppenbender 1953 zurück, eine SRK mit
Zentralverschluss zu bauen (Contaflex), um die übernommenen Zentralverschluss -
Produzenten Deckel und Gauthier wieder im eigenen Konzern auszulasten; mit all den daraus
folgenden technischen Umständlichkeiten und Kostspieligkeiten der Wechselobjektive.
Der Verkauf der Zeiss Ikon AG an Oy Wärtsilä 1989
Nach der Trennung vom Kamerageschäft 1972 und der Rückgabe des Werkes Kiel an Anschütz 1976 bestand die Zeiss Ikon AG aus den folgenden Betrieben [52].
| Umsatz 1988/89 | |||
| Beschäftigte | Erzeugnisse | % | |
| Werk Berlin-Zehlendorf | 850 | Schließzylinder, Verschlußanlagen | 67 % |
| Werk Braunschweig | 220 | Dia-Projektoren, Feingeräte, Kunststoff-Spritz. | 23 % |
| Werk Schelkingen | 200 | Druckgußerzeugnisse | 10 % |
Mit diesem Produktionsprogramm wurde damit der Betrieb Zeiss Ikon AG innerhalb von Carl
Zeiss branchenfremd und es gab kein strategisches Interesse mehr an diesen
Geschäftsfeldern. Die Muttergesellschaft Carl Zeiss hatte überdies im Anschluss an die
Photokrise erhebliche finanzielle und personelle Beiträge geliefert um die Zeiss Ikon AG
wirtschaftlich zu stabilisieren. Die Gesamtproduktion betrug 1988/89 bereits wieder 109
Mio DM mit einem Exportanteil von 25 %. Die Produktstrategien bei Carl Zeiss Oberkochen
verlangten ab 1989 eine andere Ressourcenverteilung, so dass weitere Mittel für die Zeiss
Ikon AG nicht mehr zur Verfügung standen. Damit entwickelte sich die neue Lage. Der
Verkauf wurde am 30.09.1989 an einen Mischkonzern vollzogen, der auch Kartensysteme für
Hotelschliessanlagen produzierte und allein mit seiner Security Division weltweit zu
diesem Zeitpunkt einen Umsatz von 240 Mio DM erzielte.
Der Kaufpreis für 93,8% der Zeiss Ikon Aktien, die von CZ gehalten wurden, betrug
61 Mio DM. Mit diesem Geld wurden die Schulden der Zeiss Ikon AG bei Carl Zeiss Oberkochen
beglichen. Ab Januar 1990 wurde diese Tochtergesellschaft in Ikon AG Präzisionstechnik
umbenannt [53].
Damit trennte sich Carl Zeiss nach 64 Jahren von Zeiss Ikon AG, dessen Geburt Carl Zeiss massgebend bewirkt hatte. Bei der Fusion 1926 hat sicher keiner der Beteiligten das Ende in dieser Form vorausgesehen.
Literaturverzeichnis:
[1] SächsHStA, Abgabe 1973, Nr. 62
[2] SächsHStA, Umsätze 1927-1938, Augias Nr. 63
[3] Kùc, Hans Jürgen: Auf den Spuren der Contax, Bd. I 1991, Bd. II 1997
[4] Zeiss Ikon AG, Verkaufskataloge 1927 u. 1938
[5] SächsHStA, Abgabe 1973, Nr. 26, Geschäftsberichte 1926-1944
[6] SächsHStA, Abgabe 1973, Nr. 154
[7] Sächs.HStA, Augias Nr. 177, Kurt Fabian, kommissarischer Treuhänder ZI, Niederschr.
v.26.02.1946
[8] Haase, Norbert u.a.: Die Erinnerung hat ein Gesicht, Leipzig 1998, S. 173
[9] SächsHStA, Abgabe 1973, Nr. 91
[10] SächsHStA, Abgabe 1967 Nr. 32
[11] SächsHStA, Abgabe 1967,Nr, 32
[12] SächsHStA, Abgabe 1973, Nr. 267, 269
[13] SächsHStA, Abgabe 1973, Nr. 37
[14] SächsHStA, Abgabe 1973, Nr. 284
[15] SächsHStA, Abgabe 1973, Nr. 293
[16] SächsHStA, Abgabe 1973, Nr. 299
[17] SächsHStA, Abgabe 1973, Nr. 281
[18] SächsHStA, Abgabe 1973, Nr. 26, Zeiss Ikon AG, Geschäftsberichte 1926-1944
[19] SächsHStA, Abgabe 1973, Nr. 62
[20] SächsHStA, Augias Nr. 7, Bericht der kommissarischen Geschäftsleitung Zeiss Ikon AG
v. 20.08.1945
[21] Archiv Carl Zeiss Jena GmbH, Zeiss Ikon Beschäftigung nach Febr. 1945
[22] SächsHStA, Abgabe 1973, Nr. 247
[23] Archiv Carl Zeiss Jena GmbH, Niederschr. v. 26.03.1945 und Brief Zeiss Ikon AG an
Carl Zeiss Jena v.28.04.1945
[24] Archiv Carl Zeiss Jena GmbH, Zeiss Ikon AG an Carl Zeiss Jena, Brief v. 16.01.1945
[25] Archiv Carl Zeiss Jena GmbH, Zeiss Ikon AG an Carl Zeiss Jena, Mitteilg. v.
23.03.1945
[26] SächsHStA, Altbanken Nr. 6509, Zeiss Ikon AG an Dresdner Bank v. 24.04.1945
[27] SächsHStA, Augias Nr. 1, Finanzbericht Zeiss Ikon 1945-1947
[28] SächsHStA, Augias Nr. 8, Prod._Protokoll v. 12.06.1945
[29] SächsHAStA, Augias Nr. 7, Bericht der kommissarischen Geschäftsleitung Zeiss Ikon
AG v. 20.08.1945
[30] SächsHStA, Augias Nr. 18, Demontage Reick Werk, Bericht Zeiss Ikon AG v. 31.08.1945
[31] SächsHStA, Augias Nr. 7, Bericht der kommissarischen Geschäftsleitung Zeiss Ikon AG
v. 20.08.1945
[32] SächsHStA, Augias Nr. 14
[33] Archiv Carl Zeiss Jena GmbH, Niederschrift der Verhandlungen.. v. 19.09.- 28.09.1945,
Brief Zeiss Ikon an Carl Zeiss Jena v, 03,12.1945
[34] SächsHStA, Augias Nr. 14
[35] SächsHStA, Augias Nr. 1, LR Sachsen an Zeiss Ikon AG v. 01.07.1948
[36] SächsHStA, Augias Nr. 177, LR Sachsen an SMA Sachsen v. 25.04.1947
[37] SächsHStA, Min. f. Wirtsch. Bd. 3, Nr.3105 Pentacon Nr.173, Betriebsbericht v.
19.07.1945
[38] Kùc, Hans Jürgen: Auf den Spuren der Contax, Bd. I 1991, Bd. II 1997
[39] SächsHStA, Pentacon Nr. 110, Situationsbericht v. 13.01.1951
[40] SächsHStA, Pentacon Nr. 130, Vorschlag zur Bildung eines Kombinates v. 01.10.1953
[41] Archiv Carl Zeiss Oberkochen, ContessaWerk
[41] Archiv Carl Zeiss Oberkochen, ContessaWerk, Aufbau nach 1945, Erinngn. B. Richter
10.09.1973
[42] Archiv Carl Zeiss Oberkochen, interner Bericht für den Zeitraum 13.04.1945 -
26.02.1952
[43] Otto, Bernd K.: Die Entwicklung der Ikarex 1,2 Photo Deal 1999, II, III
[44] Kùc, Hans Jürgen: Auf den Spuren der Contax, Bd. I 1991, Bd II 1997
[45] David, Walter: Die Carl Zeiss Stiftung, Heidenheim 1954
[46] SächsHStA, Pentacon Nr. 265
[47] SächsHStA, Pentacon Nr. 262
[48] Archiv Carl Zeiss Oberkochen, Zeiss Fotoscript, 17.05.1971
[49] Archiv Carl Zeiss Oberkochen, Zeiss Fotoscript, 25.08.1971
[50] Jehmlich, Gerhard und Hummel, Richard: Die Fotoindustrie in beiden Teilen
Deutschlands, MFM 1994 I, II, III
[51] Morner, P.: Zeiss Ikon - Management mit allen Fehlern, Manager Nr.1, Nov 1971
[52] Archiv Carl Zeiss Oberkochen; Zeiss Ikon AG, Darstellung des Unternehmens, 1988
[53] Archiv Carl Zeiss Oberkochen; Zeiss Gruppe, Verkauf v. Zeiss Ikon, Presse Information
1989